Freischaltungen sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Anlagenteile abgebaut werden können. Nur so ist gewährleistet, dass bei den abzubauenden Komponenten kein Strom mehr fließt und Leitungen entleert sind, also niemand durch einen Stromschlag oder den Austritt von Flüssigkeiten gefährdet werden kann. Ziel von Freischaltungen ist es also, Systeme so vorzubereiten, dass sie abgebaut werden können. Wie solche Freischaltungen durchgeführt werden, erläutert Sönke Eckert, der als Leiter Betriebsbüro im Kernkraftwerk Brunsbüttel (KKB) für Freischaltungen verantwortlich ist.
Was ist der erste Schritt bei einer Freischaltung?
Um ein bestimmtes System stillsetzen zu können, stellen wir einen Änderungsantrag bei der Aufsichtsbehörde. Wenn dieser Antrag unser Haus verlassen hat, erstellen wir einen Freischaltplan. Dafür sichten wir sämtliche Unterlagen zu dem jeweiligen System inklusive der Schaltpläne, um die Komponenten zu identifizieren, die für seinen Abbau freigeschaltet werden müssen. Wenn die Zustimmung der Behörde bzw. die Stellungnahme der Sachverständigen für die Stillsetzung vorliegt, prüfen wir, ob sich aus eventuellen Anmerkungen Änderungen für die Freischaltungen ergeben. Das ist in der Regel nicht der Fall.
Wie kommen Sie von den Plänen zur praktischen Umsetzung in der Anlage?
Alle Komponenten müssen sowohl in der Anlage als auch auf der Warte gekennzeichnet werden. Das geschieht durch orangefarbene Punkte auf der Warte und entsprechende sog. Freischalt-Zettel im Kraftwerk. In den Elektronikräumen müssen die jeweiligen Karten gekennzeichnet und gezogen werden. Alle Armaturen werden geöffnet und alle elektrischen Komponenten stromlos gemacht. Selbst die kleinsten Teile müssen freigeschaltet werden, um sicherzustellen, dass keine Gefährdung mehr von dem System für diejenigen ausgeht, die das System dann abbauen. Insgesamt haben wir bisher etwa 250 Freischaltungen erstellt und damit rund 55.000 Komponenten freigeschaltet.
Wie stellen Sie sicher, dass die richtigen Komponenten freigeschaltet werden?
Am Erstellen einer Freischaltung sind viele Personen beteiligt. Zunächst erstellt ein Mitarbeiter des Betriebsbüros (Techniker oder Meister), in der Regel ein maschinentechnischer Mitarbeiter, die Unterlagen. In diesem Falle werden diese dann von einem elektrotechnischen Mitarbeiter kontrolliert und an den Teilbereich weitergegeben. Erstellt ein Mitarbeiter der E-Technik die Unterlagen, werden diese durch die M-Technik geprüft. Im Teilbereich werden die Unterlagen von einem Mitarbeiter der Anlagentechnik (Techniker oder Ingenieur) geprüft. Abschließend werden die Unterlagen dann noch einmal von zwei Mitarbeitern des Betriebsbüros (M-Technik und E-Technik) geprüft. Beide Personen dürfen vorher weder an ihrer Erstellung noch in einem der Prüfschritte beteiligt gewesen sein. Das zeigt, dass eine Vielzahl von Personen an einer Freischaltung arbeiten. Für die 60 Freischaltungen, die für den Abbau der Vorwärmerbühne notwendig waren, wurden somit knapp 300 Prüfungen durchgeführt.
Der Abbau der Vorwärmerbühne scheint also ein großes Projekt zu sein. Was ist das Besondere daran?
Beim Abbau der Vorwärmerbühne geht es nicht um den Abbau eines einzelnen Systems, sondern hier soll ein umfänglicher Raumbereich geleert werden. Durch diesen Raum führen aber auch andere Systeme, die betroffen sind. Diese Systeme müssen ebenfalls alle stillgesetzt werden und dies kann deutlich über den geplanten Demontagebereich hinausgehen. Für den Abbau der Vorwärmerbühne wurden rund 60 Freischaltungen mit ca. 10.000 Komponenten durchgeführt. Die Arbeiten haben sechs Wochen in Anspruch genommen. Das vorangegangene Erstellen und Prüfen des Freischaltplans hat mehrere Monate gedauert. Hiermit war erst die Voraussetzung geschaffen, das Projekt Demontage der Vorwärmerbühne mit rund 1.000 Tonnen Material zu starten.
Die Koordination so vieler Freischaltungen ist sicher nicht immer einfach. Wo liegen die Herausforderungen?
Eine Herausforderung ist, dass man bei der vor längerer Zeit erfolgten dauerhaften Außerbetriebnahme von Systemen die Systemabgrenzungen anders definiert hat, als wir sie jetzt für die Freischaltungen für den Abbau brauchen. Das heißt, damals gab es Anforderungen für Freischaltungen, die mit den jetzt erforderlichen in Konflikt stehen. Das müssen wir bei der Planung berücksichtigen und diese Konflikte Punkt für Punkt sicher beseitigen.
Unerlässlich ist auch eine gute Zusammenarbeit mit allen Arbeitsgewerken. So gilt es vorab Arbeitsgerüste aufzubauen, Störkanten zu beseitigen und Entsorgungswege vorzubereiten. Das alles hat hervorragend geklappt und besonders wichtig, ohne Arbeitsunfälle.