„Dokumentation ist eine Großbaustelle“

 – Vor dem Abbau von Komponenten sind umfangreiche Arbeiten erforderlich

Ein Kernkraftwerk im Rückbau – das sind viele „Baustellen“ innerhalb der Anlage. Und das nicht nur im wörtlichen Sinn. Genaues Erfassen und Dokumentieren aller Abbauhandlungen sind genauso wichtig wie die Arbeiten selbst und sind mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Neben der derzeitigen Zerlegung von Einbauten des Reaktordruckbehälters werden zurzeit andere Anlagensysteme abgebaut oder für den Abbau vorbereitet. Welche Arbeitsschritte erforderlich sind, bis ein Werkzeug zum Abbau angesetzt werden kann – darüber sprachen wir mit Hellfried Hahn, dem Verantwortlichen für die Planung und Durchführung der Stillsetzung aller Systeme im KKB.

Das KKB hat eine Abbaugenehmigung. Trotzdem schreiben Sie immer noch Anträge. Warum ist das erforderlich?

Wir haben zwar eine grundsätzliche Genehmigung zur Stilllegung und zum Abbau des Kernkraftwerks Brunsbüttel. Das bedeutet aber nicht, dass wir direkt alles abbauen dürfen. Für jedes einzelne System oder Teilsystem, das wir stillsetzen und dann abbauen wollen, benötigen wir die Zustimmung der Aufsichtsbehörde. Daher müssen wir immer wieder Anträge mit umfassenden Beschreibungen unserer Vorhaben bei der Behörde einreichen.

Wie gehen Sie dabei vor und welche Schritte sind vor einem Abbau erforderlich?

Wir beginnen mit der Festlegung des Stilllegungsbereichs. Auf einem Systemschaltplan werden alle Komponenten und Leitungen eines Systems oder Teilsystems farblich markiert und die Schnittstellen und damit die Grenze der Stillsetzung definiert. Dann bearbeiten wir alle betroffenen Pläne, kennzeichnen alle betroffenen Kapitel im Restbetriebshandbuch ebenfalls farblich und passen alle betroffenen Systembeschreibungen an. Das betrifft auch die mit dem Stilllegungsbereich zusammenhängenden wiederkehrenden Prüfungen.

Anschließend erstellen wir eine Schnittstellenliste mit dazu gehörenden Datenblättern. Jede Schnittstelle hat ein definiertes Ausbauteil, das nicht nur beschrieben, sondern auch mit Foto dokumentiert wird – das alles unter Begleitung der Aufsichtsbehörde und ihrer Sachverständigen. Vor Ort im Kraftwerk kennzeichnen wir das entsprechende System mit orangefarbenen Punkten. Diese Kennzeichnung der Schnittstellen ist bereits Gegenstand der Antragsunterlagen. Gutachter prüfen vor Ort alle vorgesehenen Schnittstellen und vergleichen sie mit dem Schaltplan. Mit weißen Bändern mit Pfeilen markieren wir die Leitungen, die in Betrieb bleiben, mit entsprechenden roten Bändern die Teile, die für den Abbau vorgesehen sind. Wir prüfen, ob sich im Abbaubereich noch Systeme befinden, die geschützt werden müssen. Gegen in Betrieb befindliche Systeme werden Verschlüsse gesetzt. Auch sie werden durch Sachverständige vor Ort abgenommen. Zu einem Antrag gehört also eine Vielzahl von Unterlagen. Und wenn am Ende die Zustimmung der Behörde vorliegt, startet der tatsächliche Abbau erst nach einer weiteren umfangreichen Abbauanzeige.

Wie umfangreich sind solche Stilllegungsanträge?

Das hängt vom System ab. Für ein kleines System wie beispielsweise das Nachspeisesystem reicht ein dünner Ordner. Große Systeme mit umfangreicher Steuerungstechnik wie beispielsweise das Frischdampfsystem oder das Nachkühlsystem füllen eine zweistellige Zahl an großen Ordnern. Allein die Freischaltung der Leittechnik umfasst bei diesen Systemen über 3.000 Positionen und dauert in der Umsetzung etwa drei Monate.

Wie viele Systeme haben Sie schon stillgesetzt und abgebaut?

Wir haben insgesamt etwa 400 Systeme in der Anlage, von denen wir 29 stillgesetzt haben. Dabei haben wir knapp 300 Verschlüsse unterschiedlicher Art je nach Durchmesser der Leitung gesetzt.

Tatsächlich abgebaut haben wir erst einen kleinen Bereich des Einspeisesystems. Im Sommer des letzten Jahres erfolgte dort der erste Schnitt. Insgesamt gibt es 20 Schnittstellen. Die ausgebauten Stücke wiegen knapp 135 Kilogramm. Das größte Einzelstück ist 80 Zentimeter lang mit einem Gewicht von 5,5 Kilogramm.

Beim Flutsystem und den Nachkühlsystemen haben die Gutachter im letzten Sommer die Kennzeichnungen abgenommen. Inzwischen sind die Systeme stillgesetzt, aber noch nicht abgebaut. Das letzte System mit hoher Priorität, das Frischdampfsystem, ist besonders umfangreich. Hier mussten etwa 3.400 Komponenten freigeschaltet werden.