Presseschau vom 29.09.2021

Unsere Presseschau in dieser Woche bietet einige interessante Beiträge, wobei ein Trend zur Diskussion zur Renaissance der Kernkraft auch in dieser Woche klar auszumachen ist. Besonders aus Italien kommt hier ein weiterer Impuls. Das Thema Gorleben beleuchten wir mit einem Sachbericht und einem Meinungsbeitrag. Sie finden auch Beiträge zum Rückbau in Deutschland, neben Italien blicken wir auch in die Türkei, nach Frankreich und Polen. Wir wünschen gewinnbringende Lektüre.

Im Kernkraftwerk Brokdorf ist eine Fehlfunktion im Not-Nebenkühlwassersystem festgestellt worden. Im Rahmen routinemäßig geplanter Arbeiten hatte die Preussen-Elektra-Betreibergesellschaft in einem von zwei Strängen des Systems einen Schieber manuell geschlossen. Bei erneuter Betätigung zum Öffnen des Schiebers wurde festgestellt, dass der Schieber nicht öffnete, obwohl das Antriebsgestänge betätigt wurde. Die Reaktorsicherheitsbehörde hat zur Ursachenklärung und zur Festlegung von Instandsetzungsmaßnahmen Sachverständige hinzugezogen, teilte das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung des Landes Schleswig-Holstein laut des Branchendienstes IWR mit. Das KKW Brokdorf wird laut Atomgesetz spätestens Ende 2021 keinen Strom mehr produzieren:

IWR

Das Kernkraftwerk Isar 2 in Niederbayern wird zur letzten Kraftwerksrevision vor Ende seines Leistungsbetriebs vom Strom­netz getrennt und heruntergefahren. Im Rahmen der Revision werden neue Brennelemente eingesetzt und um­fangreiche Prüfungen und Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt. Das habe der Betreiber PreussenElektra mitgeteilt. Neben einer Vielzahl routinemä­ßiger Prüfungen, Inspektionen, Wartungen und Instandsetzungs-Arbeiten werden 48 der insgesamt 193 Brennelemente durch neue ersetzt. „Diese Revision ist für uns natürlich etwas Be­sonderes“, erklärt Standortleiter Carsten Müller gegenüber dem BR: „Zum letzten Mal werden wir in unserem KKI 2 einen Brennelementwechsel durchführen und die Anlage auf Herz und Nieren prüfen, bevor wir sie voraussichtlich Mitte Oktober ein letztes Mal mit dem Stromnetz verbinden werden.“ Für das am Stand­ort tätige Personal bestehe ein umfangreiches Schutzkonzept gegen Infektionen durch das Coronavirus, das im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt Landshut umgesetzt werde:

BR

Das Erkundungsbergwerk Gorleben wird endgültig geschlossen. Einen entsprechenden Auftrag habe laut eines Berichts des NDR das Bundesumweltministerium der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) erteilt. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums sagte demnach, es sei keine Möglichkeit für eine wirtschaftliche Nachnutzung des Bergwerks gefunden worden. Das BGE habe daher die komplette Stilllegung vorgeschlagen, das Ministerium habe dem zugestimmt. „Das Kapitel Endlager Gorleben wird ab dem heutigen Tag geschlossen“, zitiert der Sender Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth in Gorleben (Landkreis Lüchow-Dannenberg). Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) betonte demnach: „Ab heute gibt es keine Hintertür mehr.“ Das Thema Endlager Gorleben sei endgültig beendet. Im September 2020 hatte die BGE mitgeteilt, dass große Teile Deutschlands für ein Atomendlager nach geologischen Kriterien grundsätzlich geeignet seien. Gorleben wurde seinerzeit überraschend von der Endlagersuche ausgeschlossen. Als Grund wurden geologische Mängel genannt:

NDR

Die FAZ beschäftigt sich in einem Meinungsbeitrag zum selben Thema: Gorleben sei nicht deshalb als Endlager ungeeignet, weil die Bundesgesellschaft für Endlagerung vor einem Jahr eine entsprechende Expertise abgegeben habe. Das erste Gutachten der Gesellschaft, die einen neuen Standort für ein Endlager suchen soll, passe seine Schlussfolgerungen nur an die politische Lage an. Etliche andere mögliche Standorte seien ähnlich „ungünstig“ wie Gorleben, blieben aber im Rennen. Dass das Erkundungsbergwerk im Wendland geschlossen und wieder aufgefüllt werde, geschehe einzig und allein, um „Gras über einen jahrzehntelangen Streit wachsen“ zu lassen:

FAZ

Teile stillgelegter Kernkraftwerke können in Deutschland wieder verwendet werden. Umweltverbände fordern ein Verbot dieser Praxis, auch im Hinblick auf das KKW Fessenheim, wo eine Recyclinganlage geplant ist. Die Pläne Frankreichs, in Fessenheim ein Recyclingzentrum für Schrott von stillgelegten Atomkraftwerken zu bauen, bereiten Politikern, Bürgerinitiativen und Behörden in Südbaden große Sorgen und die französische Seite müsse laut Badischer Zeitung dafür viel Kritik einstecken. Noch sei das Recycling von Schrott aus Kernkraftwerken in Frankreich gesetzlich gar nicht erlaubt. In Deutschland werde das allerdings längst praktiziert. Der BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein und die Anti-Atom-Gruppe Freiburg fordern nun in einer Petition den Bundestag auf, dies in Deutschland zu stoppen:

BADISCHE ZEITUNG (Bezahlinhalt)

Die 6 deutschen Kernkraftwerke zunächst weiterlaufen zu lassen, würde von 2023 an eine jährliche Einsparung von 90 Mio. Tonnen CO2 ermöglichen. Das wäre nach Meinung des Essener Lokalportals MyHeimat ein konkretes und sofort wirksames Klimaschutzprogramm. Die deutsche Abkehr von Atomkraft laufe der weltweit herrschenden Tendenz total zuwider. Zwar hätten aus unterschiedlichen Gründen auch Italien, die Schweiz, Litauen und Kasachstan der Atomindustrie den Rücken gekehrt, doch wollen laut der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA 28 Staaten neu einsteigen, darunter Bangladesch, Nigeria und Saudi-Arabien. Rund um den Globus sind in 33 Ländern an die 400 Kernkraftwerke in Betrieb, in dreizehn Staaten würden neue gebaut, so in Großbritannien, Finnland und der Slowakei:

MYHEIMAT.DE

Obwohl der Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen ist, komme immer wieder die Diskussion auf, inwiefern Kernkraftwerke dem Klima nicht doch zugutekommen könnten. Fakt sei, so Deutschlandfunk Nova, dass Atomkraftwerke die deutschlandweiten CO2-Emissionen reduzieren könnten. Der Sender hat sich im Vorfeld der Bundestagswahl mit den Positionen der Parteien zu dieser Frage beschäftigt. Sein Fazit: Die Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken zu fordern, könne je nach Sichtweise als Ausrede angesehen werden, sich nicht konsequent genug um die Energiewende zu kümmern. Auch scheine es bei der sehr geringen Akzeptanz der Kernenergie in Deutschland aktuell sowieso undenkbar, dass sie eine Renaissance erlebe:

DEUTSCHLANDFUNK NOVA

Die Welt berichtet von der letzten großen Friday-for-Future-Demonstration vor der Bundestagswahl. In Berlin sei dabei eine Kernkraft-Aktivistin tätlich angegriffen und ihr die mitgeführten Pro-Kernkraft-Plakate entrissen worden. Es handele sich bei der Frau um eine Demonstrantin, die sich seit Jahren im Kampf gegen den Klimawandel für Kernkraft ausspräche und auf Demonstrationen gehe. Ihr Motto laute: „Aus Liebe zur Natur für Kernkraft“. Sie engagiere sich in der Gruppe „Mothers for Nuclear Deutschland – Österreich – Schweiz“, einem Zusammenschluss von Müttern, die sich für Kernenergie aussprechen. Die Organisation stammt ursprünglich aus den USA, wo sie von zwei Mitarbeiterinnen eines Kernkraftwerks gegründet wurde:

WELT

Die Bundesregierung in Berlin fürchte zwar erhebliche Umweltschäden durch einen möglichen Reaktorunfall neuer Kraftwerke im Nachbarland, habe aber eine Einflussnahme verschlafen, so die Ostsee-Zeitung. Grüne und Umweltschützer schlügen Alarm, bei einem möglichen Unglück wäre MV besonders betroffen, Ministerpräsidentin Schwesig fordere deutliche Korrekturen:

OSTSEE-ZEITUNG (Bezahlinhalt)

Die Türkei rechne damit, dass ihr erster Kernreaktor im Kraftwerk „Akkuyu“ im Mai 2023 fertiggestellt sein werde. Dies sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan laut des Nahost-Thinktanks mena-watch, der sich auf einen Beitrag von „Israel Defense“ beruft, bei einem Besuch in der Stadt Mersin, wo der erste Kernkraftwerk des Landes gebaut wird. Erdogan sagte demnach, dass 3.000 russische und 10.000 türkische Arbeiter am Bau der Anlage beteiligt seien, und betonte, wie wichtig es sei, den Bau im Jahr 2023, dem hundertsten Jahrestag der Gründung der türkischen Republik, fertigzustellen. Ein Abkommen mit Russland über den Bau des Kernkraftwerks wurde bereits 2010 unterzeichnet. Der Reaktor soll von der Firma Akkuyu Nukleer betrieben werden, die sich zu 99% im Besitz des russischen Kernkraftwerksbetreibers Rosatom befindet. Der Reaktor wird aus vier Blöcken mit einer Kapazität von jeweils 1.200 Megawatt bestehen:

MENA-WATCH

In einer Videokonferenz zu Italiens Strategie gegen den Klimawandel öffnete Roberto Cingolani laut der Tagesschau überraschend eine Tür für die Kernkraft. Der Physiker mit der offiziellen Amtsbezeichnung Minister für den ökologischen Umbau mochte nicht ausschließen, dass die Kernenergie nach Italien zurückkehrt – in Form von Kernreaktoren der sogenannten vierten Generation. In Reaktoren der vierten Generation ist eine Kernschmelze, der größtmögliche Atomunfall, physikalisch ausgeschlossen. „Wenn sich in einem bestimmten Moment herausstellt, dass diese Reaktoren nur wenig radioaktiven Müll verursachen, dass die Sicherheit hoch und die Kosten pro Megawatt niedrig sind – dann ist es verrückt, diese Technologie nicht in Erwägung zu ziehen“, sagte Cingolani laut Tagesschau dazu. Der nachgeschobene Hinweis Cingolanis, noch sei die Technologie nicht ausreichend erforscht und aktuell stünde keine Entscheidung an, nutze wenig: Italien diskutiere seitdem, ob auch Kernkraftwerke Teil der Strategie im Kampf gegen die Klimawende sein können:

TAGESSCHAU