Presseschau vom 27.04.2022

Herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe der Presseschau. Die Auswahl ist diese Woche besonders reichhaltig und thematisch vielfältig: Lokale und nationale Rückbauthemen, Beiträge zur Zukunft der Kernenergie in Deutschland und ein Bericht zum Energiestandort Brunsbüttel treffen auf internationale Nachrichten aus Frankreich, Russland, Griechenland, Bulgarien und Japan. Bemerkenswert sind auch die beiden Beiträge zur Abhängigkeit Deutschlands von russischen Uranlieferungen und die Erkenntnis, dass der zivile Nuklearsektor von den Sanktionen ggü. Russland explizit ausgenommen worden sei. Wir wünschen Ihnen interessante und gewinnbringende Lektüre.

Seit dem 1. Januar 2022 ist das Kernkraftwerk in Brokdorf abgeschaltet. Der Rückbau wird noch mindestens bis Mitte der 2030er-Jahre dauern. Erst wenn in einigen Jahren die letzten Brennelemente aus dem Kernkraftwerk entnommen worden sind, kann auch das letzte borhaltige Abwasser in die Elbe eingeleitet werden. Das Halbmetall Bor sorgt im Primärkreislauf des Kernkraftwerks dafür, dass im Reaktorkern keine zu große Hitze durch nukleare Kettenreaktionen entsteht. Das Einleiten des borhaltigen Abwassers in die Elbe erfolgt also nicht einmalig, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg. In einem offenen Brief an Umweltminister Jan Philipp Albrecht äußert nun ein Aktionsbündnis Bedenken über das Einleiten von borhaltigem Abwasser in die Elbe. Der KKW-Betreiber und das Ministerium sehen darin hingegen kein Problem für die Natur, wie der NDR berichtet:

NDR

In Block 1 des Kernkraftwerks Philippsburg fanden wiederkehrende Prüfungen an Türfeststellanlagen statt. Dabei wurde festgestellt, dass eine der Brandschutztüren bei Auslösung der Türfeststellanlage nicht vollständig zufiel. Die betroffene Brandschutztür befindet sich im Maschinenhaus des im Rückbau befindlichen Kernkraftwerks. Sie trennt einen Raum, in dem brennbares Material gelagert wird, vom Rest des Maschinenhauses. Da alle weiteren Einrichtungen und Maßnahmen des Brandschutzes wie die Branderkennung durch Rauchmelder und die Brandbekämpfung uneingeschränkt zur Verfügung standen, sei die sicherheitstechnische Bedeutung des Befundes gering, so das zuständige Ministerium für Umwelt Baden-Württemberg. Es ergaben sich keine Auswirkungen auf Personen und die Umwelt, das Ereignis falle unter die Meldekategorie M:

UM.BADEN-WUERTTEMBERG (Normalmeldung)

Der britische Klimaökonom Nicholas Stern rät der Bundesregierung angesichts der hohen Energiepreise und des Ukraine-Kriegs, den Atomausstieg zurückzunehmen. „Deutschland sollte seine Atomkraftwerke weiterlaufen lassen“, sagte Stern der „Welt am Sonntag“ laut eines Berichts der Oldenburger Onlinezeitung. Das sei vorteilhaft für das Klima und für die Versorgungssicherheit in den kommenden Jahren. „Die Politik sollte die Laufzeiten dabei nicht begrenzen.“ Stern ist Professor an der London School of Economics. Weltweit bekannt wurde er durch den nach ihm benannten „Stern-Report“ aus dem Jahr 2006, in dem er den Klimawandel untersuchte:

OLDENBURGER-ONLINEZEITUNG

Anlässlich des 36. Jahrestages der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl warnen Umweltverbände und Stiftungen vor der großen Abhängigkeit von der weltweit vernetzten Uran-Industrie. Deutschland und Europa seien demnach nicht nur von fossilen Energieimporten abhängig, sondern auch von Uran, wie aus der Neuauflage des Uranatlas hervorgehe, so das Magazin für nachhaltige Geldanlagen Ecoreporter. Der vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam mit der Nuclear Free Future Foundation, der Rosa-Luxemburg-Stiftung, der Umweltstiftung Greenpeace und der Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt herausgegebene Atlas zeige, dass etwa 40 Prozent der europäischen Uranimporte aus Russland und Kasachstan stamme. Das betreffe auch die noch laufenden deutschen KKW:

ECOREPORTER

Auch der Deutschlandfunk widmet sich diesem Thema und bietet einen Audiokommentar mit weiteren Fakten, u.a. zum Umfang der Sanktionen gegen Russland, aus denen der zivile Nuklearsektor explizit ausgenommen worden sei. Mitten im Ukraine-Krieg gäbe es Ausnahmen für russische Flugzeuge im EU-Luftraum für die Lieferung von Brennelementen:

DEUTSCHLANDFUNK

Erinnerung an die Reaktorkatastrophe im KKW Tschernobyl in Brokdorf: Dem Aufruf der Steinburger Kreisgruppe des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Initiative „Brokdorf Akut“ folgten laut shz am 24. April rund 150 Menschen und trafen sich vor dem Kernkraftwerk zu einer Protest- und Kulturmeile. Das Datum ist angelehnt an die Reaktor-Katastrophe in der Ukraine am 26. April 1986:

SHZ (Bezahlinhalt)

Währenddessen sei das im Ukraine-Krieg schwer umkämpfte Kernkraftwerk Tschernobyl wieder im direkteren Austausch mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), so der Branchendienst Heise. Das erklärte demnach IAEA-Generaldirektor Rafael Mariano Grossi. Die telefonische Kommunikation sei wiederhergestellt. Am 24. Februar besetzten russische Truppen den Ort, die dort ansässigen Entsorgungsanlagen sowie das Gelände um die Atomruine mit der neuen Schutzhülle, die die Reste des Reaktorunglücks von 1986 sichern soll. Die russische Arme hielt das Areal, bevor sie sich am 31. März zurückzog. Die staatliche Nuklearaufsichtsbehörde der Ukraine (SNRIU) hatte der IAEA am 10. März mitteilen müssen, dass sie den Kontakt zum KKW-Standort verloren habe:

HEISE

Das Kernkraftwerk Cattenom hat mögliche Risse in Block 3 auf Anfrage des SR dementiert. Allerdings gebe es „Hinweise“ auf Risse, die weitere Kontrollen notwendig machen. Der betroffene dritte Block des KKW soll nun wohl doch erst im August wieder in Betrieb genommen werden. Auf Anfrage des SR teilte eine Sprecherin mit, bei ersten Ultraschallkontrollen habe es Hinweise auf Risse in den Schweißnähten eines Rohrsystems nahe dem Reaktorkessel gegeben. Diese erforderten zusätzliche Untersuchungen. Das werde aber noch einige Woche dauern, so das Unternehmen:

SR

Bulgarien und Griechenland sind bei ihren Verhandlungen über den Bau eines Kernkraftwerks vorangekommen, doch die Frage der Haftung im Falle eines Unfalls bleibe ungelöst, so der Branchendienst EURACTIV unter Bezug auf Partnermedien in Sofia und Athen. Die Verhandlungen zwischen Bulgarien und Griechenland über den Bau eines Kernkraftwerks steckten zwar noch in den Kinderschuhen, Sofia habe jedoch von „guten Absichten“ seiner Partner in Athen berichtet. Die Idee zum Bau wurde erstmals vom stellvertretenden bulgarischen Ministerpräsidenten und Finanzminister Asen Vassilev nach seiner Rückkehr von einem Besuch in Griechenland am 22. Februar bekannt gegeben, wo er mit dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis sprach:

EURACTIV

Die Industrieabteilung des japanischen Unternehmens Mitsubishi arbeitet laut eines Beitrags des Technologieportals GIGA an einem Mini-Kernkraftwerk, das sich mit einem Lkw transportieren lasse. Energie könne so ganz nach Bedarf an nahezu beliebige Orte gebracht werden, so die Hoffnung. Ein Dauerbetrieb über 25 Jahre sei ohne den Tausch von Brennelementen möglich und vorgesehen, so das Unternehmen:

GIGA

Das am Energiestandort Brunsbüttel geplante erste deutsche LNG-Terminal, dass u.a. auch die Abhängigkeit der deutschen Engergieversorgung von russischem Erdgas zu reduzieren helfen soll, trifft nicht nur auf Zustimmung. Wie der NDR in einem Videobeitrag berichtet, protestierte die Klimabewegung Fridays for Future nun gegen das Projekt, da es weiter fossile Energien fördere:

NDR