Presseschau vom 24.11.2021

Die Presseschau in dieser Woche bietet Ihnen erneut eine vielfältige Auswahl an Inhalten zu Rückbau und Kernkraft. Das Thema Endlagerfrage in Schleswig-Holstein ist unser „Aufmacher“, lokale KKW-Nachrichten kommen zudem aus Brokdorf, Grohnde und Biblis. „Renaissance der Kernkraft“ ist weiterhin heftig diskutiertes Thema aus politischer und wirtschaftlicher Sicht, ein Faktencheck versucht die rationale Betrachtung. Zudem blicken wir aus der Luft auf KKW-Neubauten, entdecken den größten Kran der Welt und widmen uns zum Abschluss einem wahrhaft visonären Thema: Einem KKW auf dem Mond.

Die Diskussion um eine Renaissance der Kernkraft in Deutschland ist in vollem Gange. Dabei sei laut SHZ die Endlagerfrage der radioaktiven Abfälle bis heute ungeklärt. In Schleswig-Holstein, wo nach den lange stillgelegten Meilern Brunsbüttel und Krümmel zuletzt das Kernkraftwerk Brokdorf im Dezember vom Netz soll, sei nicht einmal klar, wo der gering radioaktive Bauschutt des Rückbaus der drei KKW schließlich gelagert werden solle. Zwei Standorte seien jetzt mit einer Zwangszuweisung durch das Land konfrontiert. Sowohl die Hansestadt Lübeck für ihre Deponie Niemark der stadteigenen Entsorgungsbetriebe als auch die private Anlage Johannistal in Gremersdorf wenige hundert Meter von der ostholsteinischen Küste samt Campingplatz entfernt klagen jetzt vor dem Verwaltungsgericht Schleswig. Der Artikel nennt auch einen Nebenaspekt: Trotz aller Deponieengpässe seien 2021 Abfälle des niedersächsischen Kernkraftwerks Unterweser nach Schleswig-Holstein gefahren worden. Kunststoffe, Türen oder Spanplatten aus dem KKW an der Weser seien in der Sondermüllverbrennungsanlage in Brunsbüttel verbrannt worden. Die Frage, warum Schleswig-Holstein Importe strahlender Abfälle aus Niedersachsen erlaube, aber selbst keinen KKW-Schutt außer Landes lassen wolle, beantwortete das Ministerium laut SZ wie folgt: „Spezifisch zur Deponierung oder zur Verbrennung freigegebene Abfälle werden nicht vom Land Schleswig-Holstein, sondern von der jeweiligen Beseitigungsanlage, in der die Beseitigung erfolgt, angenommen“:

SHZ (Bezahlinhalt)

Der Zeitpunkt des Abschaltens für das KKW Brokdorf liegt nur noch sieben Wochen entfernt: Am 31. Dezember um 23.59 Uhr werde in der Warte des Werks der Knopf gedrückt, der am Kernkraftwerkstandort Brokdorf den Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie bedeutet. Dann liege hinter dem Kraftwerksbetrieb ein Jahr der höchsten Arbeitsverfügbarkeit mit 99,67 Prozent und vor den Mitarbeitern noch eine längere Stilllegungsphase. Werkleiter Uwe Jorden zog laut eines Berichts der SHZ Bilanz und gab einen Ausblick auf die Zeit nach dem Abschalten vor Gästen aus Politik und Wirtschaft im Rahmen der Kraftwerksveranstaltung „Redezeit“, die das Blatt dokumentiert:

NORDDEUTSCHE RUNDSCHAU (Bezahlinhalt)

Die Nutzung der Kernenergie ist aus ostwestfälisch-lippischer Sicht untrennbar mit dem Namen Grohnde verbunden. Das im gleichnamigen Ortsteil der Gemeinde Emmerthal auf niedersächsischem Gebiet liegende Kernkraftwerk soll zum Jahresende vom Netz gehen. Aktuell gelte die Kernenergie in der Politik jedoch als ein Rettungsanker in der Klimadebatte. Die EU-Kommission will die Kernenergie und die Energiegewinnung aus Gas als nachhaltig einstufen lassen. Eine Zielrichtung, die bei Experten aus Ostwestfalen-Lippe auf Unverständnis stoße, wie die dortige LZ dokumentiert: „Der Green Deal wird zu einer Lachnummer, wenn Atom und Gas als nachhaltig bezeichnet werden. Denn das sind sie sicher nicht“, sagt demnach der Sprecher der dortigen Bezirkskonferenz Naturschutz:

LZ

Im stillgelegten Kernkraftwerk Biblis werde weiter an der Infrastruktur zum Abbau der KKW-Abfälle gearbeitet, so die Süddeutsche Zeitung. Die Behandlung der abgebauten Materialien solle in Block A des Kraftwerks stattfinden, teilte demnach Hessens Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion in Hessen mit. Dazu würden nicht mehr benötigte Komponenten abgebaut und in den frei gewordenen Bereichen Behandlungseinrichtungen wie Sägen, Strahlanlagen und Dekontaminationseinrichtungen installiert. Die Errichtung dieser „Abbaufabrik“ solle Mitte 2022 abgeschlossen werden:

SZ

Der ehemalige BASF-Vorsitzende Jürgen Hambrecht, der 2011 den Atomausstieg mit verhandelt hat, hat laut Stern seine Meinung revidiert: Nur mit Kernenergie bekomme Deutschland den vollen Umstieg auf erneuerbare Energien hin und könne Millionen an CO2 einsparen. „Die bestehenden Kernkraftwerke sind da, sie sind abgeschrieben. Der Strom ist also relativ preisgünstig“, sagte Hambrecht dem Stern zufolge im Podcast „Die Stunde Null“. „Für unsere Volkswirtschaft, für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wäre es sinnvoll, diese Kernkraftwerke weiter zu betreiben“:

STERN

Die Debatte über die Renaissance der Nuklearenergie droht sich zur schweren Belastung des deutsch-französischen Verhältnisses auszuwachsen, berichtet das Handelsblatt. Während in Deutschland Kernkraft als energiepolitisches Tabu gelte, bilde sie für Frankreich das Fundament der wirtschaftlichen Transformation. Mit aller Macht kämpfen die Franzosen demnach dafür, dass Nuklearkraftwerke das Siegel der Klimafreundlichkeit erhalten. Sie fürchten, dass die Taxonomie, ein Regelwerk, das definiert, welche Geschäftstätigkeiten künftig als nachhaltig ausgewiesen werden, nicht nur zum Richtschur der Kreditvergabe von Banken werde, sondern künftig auch darüber bestimmten könnte, welche Technologien noch EU-rechtskonform staatlich förderbar sind. Die scheidende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe den Kampf dagegen praktisch verloren gegeben. Der entsprechende Vorschlag der Kommission sei ein sogenannter delegierter Rechtsakt und könne daher nur abgelehnt werden, wenn Deutschland 19 weitere EU-Staaten an seiner Seite hätte. Aus Sicht Frankreichs sei der Umgang mit der Kernenergie hingegen „nicht verhandelbar“:

HANDELSBLATT

In einem ausführlichen „Faktencheck“ beschäftigt sich die Deutsche Welle mit Pro und Contra zu einer Nutzung von Kernkraft unter Klimaschutzgesichtspunkten. Im Ergebnis, so der Beitrag, sei Kernenergie keine Alternative zu anderen Energieformen. Hauptargumente dagegen seien die mangelnde Wirtschaftlichkeit und die Tatsache, dass der Klimawandel sogar selbst die Nutzung verhindere. In heißen Sommern mussten demnach bereits mehrere KKW heruntergefahren oder ganz vom Netz gehen, da aufgrund sinkender Pegel vieler Flüsse die Kühlung der Reaktoren nicht mehr gewährleistet gewesen sei:

DW

Als Vorstandsmitglied des Unternehmens Terrapower lässt der Microsoft-Gründer Bill Gates in den USA ein erstes eigenes Kernkraftwerk errichten. Dort solle laut GIGA ein experimenteller Natrium-Reaktor für Energie sorgen. Für das Kernkraftwerk werde ein in Schließung befindliches Kohlekraftwerk umgebaut, das sich im kleinen Ort Kemmerer im US-Bundesstaat Wyoming befindet. Das Projekt werde trotz des hohen Vermögens von Bill Gates vom US-Energieministerium gefördert und solle insgesamt rund 160 Millionen Euro kosten. Geplant sei eine Spitzenleistung von 500 Megawatt bei einer durchschnittlichen Leistung von 345 Megawatt. Bis spätestens 2028 soll das Kraftwerk stehen und Energie liefern:

GIGA

In seiner Serie „Wirtschaft von oben“ dokumentiert das Handelsblatt Wirtschaftsgeschichte durch Luftaufnahmen. Die aktuelle Folge beschäftigt sich mit Neubauten von Kernkraftwerken weltweit und dokumentiert den jeweiligen Baufortschritt. Die Bilder, so das Handelsblatt, würden aktuell nahezu bei allen Bauvorhaben zeigen, dass man die ursprünglichen Zeitpläne und damit wohl auch die Kosten für die Bauten zum Teil deutlich überschreite, Beispiele dafür seien unter anderem Flamanville in Frankreich und Hinkley Point C in England:

WIRTSCHAFTSWOCHE

Mit einem Videobeitrag dokumentiert der Stern den Einsatz des größten Krans der Welt „Big Carl“ mit einer Tragkraft von 5000 Tonnen beim Bau des Kernkraftwerks Hinkley Point C im englischen Somerset. Das Werk ist das erste neugebaute englische Kernkraftwerk seit 30 Jahren:

STERN

Wenn Menschen auf dem Mond leben sollen, müssen sie sich mit Strom versorgen. Die US-Raumfahrtbehörde sucht deshalb laut SPIEGEL nach Ideen für einen Kernspaltungsreaktor. Bis Februar 2022 könnt en Vorschläge eingereicht werden. Ausgeschrieben hat die Nasa das Projekt gemeinsam mit dem Idaho National Laboratory, einer Forschungseinrichtung des Department of Energy, des amerikanischen Energieministeriums. Die Behörden wollen nach eigenen Angaben bis zum Ende des Jahrzehnts eine sonnenunabhängige Energiequelle finden, um die Teilnehmerinnen und Teilnehmer künftiger Mondmissionen mit Strom zu versorgen:

SPIEGEL