Presseschau vom 22.12.2021

Zum Jahresende können wir Ihnen in dieser Woche noch einmal eine besonders reiche Ausbeute an Beiträgen anbieten, die sich mit den kommenden Stilllegungen der Werke in Brokdorf und Gundremmingen und dem Stand des Rückbaus weiterer Werke beschäftigen. Das weiterhin heftig diskutierte Thema Taxonomie ist erneut Gegenstand der Berichterstattung, in der sich auch der neue Bundeskanzler Scholz zum Thema äußert. Aus Frankreich und den Niederlanden stammen Meldungen zum dort geplanten Neubau von KKW. Wir runden unsere Auswahl ab mit der Wiederveröffentlichung eines hörenswerten Radiobeitrags zur Inbetriebnahme des KKW Kahl aus dem Jahr 1960.

Die erste Presseschau des neuen Jahres 2022 erscheint am 5. Januar, bis dahin wünschen wir Ihnen und den Ihren frohe Festtage und einen guten Start in ein gesundes und erfolgreiches neues Jahr.

Der bevorstehenden Stillegung des KKW Brokdorf widmet der NDR eine „Zeitreise“ und lässt die 35-jährige Geschichte des Betriebs des letzten noch aktiven KKW in Norddeutschland Revue passieren. Der Beitrag schildert die Planung, Inbetriebnahme und nun bevorstehende Abschaltung des Werks und legt einen besonderen Fokus auch auf die Proteste gegen das Werk, die bis heute andauern. Hervorgehoben wird auch die Bedeutung der Anlage für die Gemeinde Brokdorf, die von Steuereinnahmen und der Schaffung sicherer Arbeitsplätze profitierte, und die nun anstehenden Themen Rückbau und Endlagerproblematik:

NDR

Ein weiterer NDR-Beitrag zum Ende des Betriebs des KKW Brokdorf widmet sich besonders der Situation der Gemeinde nach der Abschaltung, der Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt vor Ort und den Perspektiven für die derzeit noch 320 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nun nicht mehr alle benötigt würden, denen aber gleichwohl keine Entlassung drohe:

NDR

Auch das KKW Gundremmingen wird zum Jahresende abgeschaltet und die geplante Stilllegung und der Rückbau begonnen. Besonders die Zwischenlagerung der Brennstäbe des Werks in dessen unmittelbarer Nähe beschäftige Politik und Anwohner. Bis zur Inbetriebnahme eines Endlagers, die derzeit noch lange nicht in Aussicht sei, werde das lokale Zwischenlager den Ort prägen. Die Augsburger Allgemeine berichtet:

AUGSBURGER ALLGEMEINE (Bezahlinhalt)

Bereits seit 16 Jahre ist das KKW Obrigheim bereits stillgelegt, der Rückbau läuft seit nunmehr 13 Jahren. Und es sei auch vergleichsweise still geworden um das einst dienstälteste Kernkraftwerk Deutschlands, so die Rhein-Neckar-Zeitung. Vor diesem Hintergrund hat die RNZ das Gespräch mit der KWO-Betreibergesellschaft, der EnBW, gesucht und in dem Interview den Status und die kommenden Schritte des Rückbaus erörtert:

RNZ

Umfangreiches Bildmaterial begleitet den Artikel des Portals Nordbayern des Verlags Nürnberger Presse zum Rückbau des KKW Grafenrheinfeld. Seit im Dezember 2020 das letzte Brennelement das stillgelegte Kernkraftwerk bei Schweinfurt verlassen habe, sei die Anlage brennstofffrei. Seither sei der Rückbau viel einfacher und intensiver geworden. Schon 18 Tonnen Atommüll hätten das Kraftwerk verlassen, gelagert würden sie allerdings nur wenige Meter weiter. Der Rückbau solle erst im Jahr 2035 abgeschlossen sein. Das Zwischenlager und das Lager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle, die beide direkt neben dem Kraftwerk stehen, würden allerdings noch sehr viel länger in Betrieb bleiben:

NORDBAYERN

Die Grünen im Niedersächsischen Landtag fordern vom Umweltministerium eine umfangreichere Kontrolle des Kernkraftwerks Lingen, berichtet die ZEIT. Umweltminister Olaf Lies (SPD) als Chef der Landesatomaufsicht müsse unverzüglich alle Dampferzeuger-Heizrohre in dem Atommeiler auf voller Länge und an beiden Enden untersuchen lassen, sagte demnach die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag. Beim baugleichen Kernkraftwerk Neckarwestheim II sei die Notwendigkeit einer jährlichen und vollumfänglichen Überprüfung der Dampferzeugerheizrohre durch Gutachten belegt worden. Bislang seien die Heizrohre des Atomkraftwerks in Lingen nur unvollständig und in diesem Jahr gar nicht mehr geprüft. Das Kernkraftwerk in Lingen wird Ende des nächsten Jahres abgeschaltet:

ZEIT

An einem Kernkraftwerk im französischen Civaux wurden Mängel festgestellt. Der Betreiber EDF stoppte darauf den Betrieb, zwei Meiler stehen still. Betreiber EDF teilte mit, dass Risse aufgrund von Korrosion an den Rohren eines Reaktors festgestellt wurden. Während einer Routineüberprüfung im August wurde bereits ein Reaktor vom Netz genommen, dieser Betriebsstopp werde nun verlängert, wie die Tagesschau meldet:

TAGESSCHAU

Zur Erreichung ihrer Klimaziele wolle die neue niederländische Regierung in den kommenden neun Jahren 35 Mrd. Euro bereitstellen, meldet der Branchendienst energate messenger. Ein Teil des Geldes solle in den Bau von zwei Kernkraftwerken fließen, um von Gasimporten unabhängiger zu werden. So sehe es der jüngst vorgestellte Koalitionsvertrag der neuen Vier-Parteien-Regierung unter Ministerpräsident Mark Rutte vor:

ENERGATE MESSENGER (Bezahlinhalt)

Die EU-Kommission wird die Einzelheiten für ihre Taxonomie zu nachhaltigen Investitionen im Energiebereich erst im Januar bekannt geben, meldet der Branchendienst Heise. Das sagte EU-Binnenmarktskommissar Thierry Breton demnach in einem Interview der Welt. Ursprünglich war die Entscheidung für kommende Woche erwartet worden. Das Thema begegnet besonderem Interesse, da Kernkraft und – vorübergehend – Erdgas als nachhaltig bewertet werden könnten. Dies hatte auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Ende Oktober angekündigt. In einer Rede zur Tagung des Europäischen Rates sagt sie demnach, neben erneuerbaren Energien wie Wind und Sonne würden darin auch die Atomkraft und Erdgas berücksichtigt. Die Taxonomie soll Investoren in der EU klare Kriterien aufzeigen, welche Finanzprodukte dem Klimaschutz nützen:

HEISE

Der deutsche Bundeskanzler Scholz nannte die Debatte über die sogenannte Taxonomie laut eines Beitrags der FAZ „völlig überbewertet“. Auch mit dem Vorschlag ändere sich nichts daran, dass Deutschland im kommenden Jahr das letzte Kernkraftwerk abschalten werde. Berlin ist es bislang nicht gelungen, genügend Stimmen für eine Blockade des Vorschlags zu organisieren. Anlässlich eines Treffens mit dem französischen Präsidenten Macron verteidigte dieser Frankreichs Pläne mit den Worten, die Kernkraft sei zwar „nicht mit erneuerbaren Energien gleichzustellen“, stoße aber wenig Kohlendioxid aus. Zuvor hatte er Kernenergie unerlässlich für das Ziel der EU-Klimaneutralität bis 2050 bezeichnet:

FAZ

In Deutschland sehe man die Zukunft der Kernkraft weniger eindeutig, als es die Regierung aktuell propagiert. Wie die WELT meldet, steht etwa jeder zweite Deutsche der Kernkraft nicht komplett ablehnend gegenüber. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov gaben demnach 22 Prozent der Befragten an, dass Kernenergie bei den Bemühungen um eine kohlenstoffarme Stromproduktion in Deutschland sehr wichtig sei und erneuerbaren Energiequellen wie Solar- und Windenergie gleichgestellt sein sollte. Für knapp ein Drittel (31 Prozent) solle Kernkraft bei der Energiewende zumindest eine kleine Rolle spielen. Sie solle aber nicht so stark wie Photovoltaik und Windkraft genutzt werden:

WELT

Das Interesse an der Kernkraft steigt in allen Teilen der Welt stetig an, auch in Europa. Zu den Gründen zählen Versorgungssicherheit, das Klima und die Kosten. Besonders kontrovers werden derzeit sogenannte kleine modulare Reaktoren (SMR) diskutiert. Neu sei die Technologie allerdings nicht, so der Deutschlandfunk in einem Radio-Feature:

DEUTSCHLANDFUNK

Während Deutschland bald die letzten Meiler abschaltet, erhält die Kernkraft in Frankreich eine neue Chance. Im November verkündete Präsident Emmanuel Macron den Bau neuer Kernkraftwerke. Die Hintergründe erklärt die Soziologin Sezin Topçu von der Forschungsorganisation Centre national de la recherche scientifique, die dem Wissenschaftsministerium unterstellt ist, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung:

SÜDDEUTSCHE

Mit dem Kernkraftwerk Kahl am Main begann Deutschland, die Kernenergie für zivile Zwecke nutzen. 25 Jahre lang sollte es Strom liefern, 1985 wurde es stillgelegt. Im Jahr der Inbetriebnahme 1960 besuchte der Wissenschaftskorrespondent Ernst von Khuon das Kraftwerk und schilderte, was es von herkömmlichen Kraftwerken unterschied. Der SWR hat den hörenswerten Beitrag von 1960 aus einem Archiv geholt und als Beitrag zur Industriegeschichte erneut veröffentlicht:

SWR