Presseschau vom 16.03.2022

Herzlich willkommen zur aktuellen Presserschau. Nicht unerwartet gibt es zwei Großthemen, die die einschlägige Berichterstattung dominieren: Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die Kernkraftindustrie sowie die Diskussion über die Zukunft der Kernkraft in Deutschland und Europa. Wir haben eine Auswahl aus der Vielzahl entsprechender Beiträge getroffen, zudem findet sich ein Beitrag zum Rückbau in Deutschland, eine Nachricht über den überfälligen Start eines KKW in Finnland und die Dokumentation eines Gesprächs des NDR zu den Anfängen der Kernkraft in Deutschland.

Der Krieg in der Ukraine schürt auch die Angst vor der Gasknappheit. Ein Großteil des deutschen Bedarfs kommt aus Russland. Aktuell gibt es zahlreiche Stimmen, die eine Rückkehr zur Kernenergie fordern. Die SHZ nimmt sich des Themas an und führte ein Interview mit Hauke Rathjen, Referent der Kraftwerksleitung und Standortkommunikator am Kernkraftwerk Brokdorf, das zum Jahreswechsel abgeschaltet wurde. Dabei geht es auch um die Frage, ob Brokdorf wieder ans Netz gehen könne:

SHZ (Bezahlinhalt)

Eine Laufzeitverlängerung für KKW hält Bundesfinanzminister Lindner nur für schwer umsetzbar. Der Minister verspricht sich von einer etwaigen Neuorientierung bei der Kernkraft keine baldige Entlastung bei der Energieversorgung, so das Handelsblatt. Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck hatte zuvor ausgeschlossen, dass Kohlekraftwerke in Deutschland länger laufen müssen, um das Land energiepolitisch unabhängiger von Russland zu machen. Die Versorgungssicherheit müsse gewährleistet sein. Zu einer längeren Laufzeit der letzten deutschen Kernkraftwerke hatte sich Habeck zuletzt skeptisch geäußert. Dazu seien die Vorbereitungen für die Abschaltung zum Jahresende bereits zu weit fortgeschritten:

HANDELSBLATT

Angesicht des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine fordert Tesla-Chef Elon Musk laut Redaktionsnetzwerk Deutschland die Rückkehr zur Kernenergie in Europa. „Hoffentlich ist es jetzt sehr offensichtlich, dass Europa stillgelegte Kernkraftwerke wieder hochfahren und die Leistung bestehender Kraftwerke erhöhen sollte“, schrieb Musk dazu auf Twitter. Das sei entscheidend „für die nationale und internationale Sicherheit“. Musk spielte damit auf die europäische Abhängigkeit von russischen Energieimporten an, so RND:

RND

Ein Weiterbetrieb der KKWs in Deutschland sei mit „höchsten Sicherheitsbedenken“ verbunden, sagt Bundeswirtschaftsminister Habeck laut WELT. Das habe eine Vorprüfung ergeben. Doch hochrangige Experten kerntechnischer Organisationen sähen die Lage demnach anders. Das Blatt geht der Frage nach den Gründen nach:

WELT (Bezahlinhalt)

Eine klare Mehrheit in der Bevölkerung wolle laut einer Umfrage angesichts der Abhängigkeit Deutschlands von russischen Energie-Importen die Laufzeiten der drei verbliebenen Kernkraftwerke verlängern. Es sprächen sich 70 Prozent der Befragten für eine Laufzeitverlängerung aus, ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der „Augsburger Allgemeinen“. Am geringsten sei dieser Anteil bei den Anhängern der Grünen mit 32 Prozent – 56 Prozent von ihnen wollen am Ausstieg festhalten, insgesamt seien dies nur 23 Prozent. Im Lager der Union befürworten 90 Prozent längere Laufzeiten, bei der SPD 64 Prozent:

RND

Viele deutsche Stimmen verlangen im Gefolge der russischen Invasion der Ukraine, das Tempo von Kohle- und Atomausstieg zu überprüfen. Doch eine einfache Lösung zeichne sich in Deutschland nicht ab, so die Schweizer NZZ. Da habe es die Schweiz besser: Ihre Kernkraftwerke laufen, solange sie sicher seien, so das Blatt:

NZZ

2017 begannen die Abbauarbeiten im ersten Block des Kernkraftwerks Philippsburg, seit 2020 läuft auch in Block zwei der Rückbau. Bis zum planmäßigen Ende der Arbeiten wird es aber wohl noch mehrere Jahre dauern. Für die weitere Zukunft des Geländes gibt es mehrere Optionen, so die Rheinpfalz in ihrem Bericht, der auch einen Ausblick auf die kommenden Meilensteine des Rückbaus gibt:

RHEINPFALZ

Der finnische Kernreaktor Olkiluoto 3 ist laut eines englischsprachigen Berichts des Global Construction Review ans Netz gegangen, dies 12 Jahre nach dem geplanten Termin und rund 8 Milliarden Euro über dem ursprünglichen Budget von 3 Milliarden Euro. Der finnische Kernkraftwerksbetreiber Teollisuuden Voima (TVO) teilte demnach mit, dass der Reaktor bereits einen Teil des Stroms in das finnische Netz eingespeist habe, obwohl er seine volle Kapazität erst im Juli erreichen werde. Die Arbeiten wurden von dem französischen Ingenieur Areva und dem deutschen Unternehmen Siemens durchgeführt. Der Bau begann 2005 und sollte ursprünglich vier Jahre später abgeschlossen werden:

GLOBALCONSTRUCTIONREVIEW

Die Internationale Atombehörde hatte laut eines Berichts der Tagesschau keine Verbindung mehr zu den Überwachungsgeräten der ukrainischen Atomruine Tschernobyl. Das KKW sei zudem von der Stromversorgung getrennt. Experten warnten vor dem Austritt radioaktiver Stoffe. Das ehemalige ukrainische Kernkraftwerk Tschernobyl ist seit der Einnahme durch russische Einheiten zunehmend von der Außenwelt abgeschnitten. Die Überwachungssysteme der Atomruine übermittelten inzwischen auch keine Daten mehr an die internationale Atomenergiebehörde (IAEA), wie deren Chef Rafael Grossi mitteilte:

TAGESSCHAU

Im Kampf um Saporischja in der Ukraine hatte es auf dem Areal des dortigen Kernkraftwerks gebrannt. In Tschernobyl war tagelang die Stromleitung zu den stillgelegten Reaktorblöcken unterbrochen. Der MDR stellt die Frage, wie es um die Sicherheit der Kernkraftwerke in den Kriegsgebieten stehe, und hat dazu mit Dr. Sören Kliem gesprochen, Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit am Helmholtz-Zentrum in Dresden-Rossendorf:

MDR

Eine aktuelle Lageeinschätzung zu den KKW und kerntechnischen Anlagen in der Ukraine des Bundesamtes für Strahlenschutz BfS findet sich laufend aktualisiert hier:

BFS

Große Hoffnungen verbanden sich in den 60er-Jahren weltweit mit der Kernkraft. Von der Politik wurde sie massiv gefördert; Widerstand gegen den Bau von Kraftwerken gab es zunächst noch nicht. Bevor die ersten kommerziellen Kernkraftwerke ans Netz gingen gab es Forschungsreaktoren, auch im Norden. „Es gab in der Gesellschaft die Entwicklung, dass man der Kernkraft alles zutraute“, erinnert sich Hans-Georg Priesmeyer, der langjährige Leiter des Labors für angewandte Neutronenphysik am Forschungsreaktor in Geesthacht im Gespräch mit dem NDR an die Anfänge der Kernkraft in Deutschland:

NDR