Der Rückbau deutscher KKW ist diese Woche nur in geringem Umfang Gegenstand relevanter Berichterstattung, dafür ist die Diskussion pro und contra der Nutzung von Kernkraft im Rahmen der zukünftigen, CO2-neutralen und nachhaltigen Energieversorgung im Fokus von gleich drei Beiträgen: Ein Bericht beschäftigt sich mit einer Pro-Demonstration, n-tv mit der Sicht der Finanzwirtschaft auf Kernkraft als nachhaltiges Anlageobjekt, und die FAZ bietet dazu die Ergebnisse eine Umfrage an. Dazu schauen wir international nach Russland, Japan und – besonders interessant – auf die LEU Bank in Kasachstan.
Beim Helmholtz-Forschungszentrum in Geesthacht (Kreis Herzogtum Lauenburg)in der Nähe des KKW Krümmel ist eine Lagerhalle in Brand geraten, berichtet der NDR. In der ca. 300 Quadratmeter großem Halle wurden nach Angaben der Feuerwehr unter anderem Gasflaschen und Chemikalien gelagert. Die Feuerwehr war im Großeinsatz, unterstützt u.a. von der Werksfeuerwehr des Kernkraftwerks:
• NDR
Bei einer Demonstration vor dem Kernkraftwerk Neckarwestheim ist jetzt nicht das sofortige Abschalten von Block II gefordert worden, sondern stattdessen der Erhalt der Kernkraft. Aktivisten des Vereins Nuklearia wollen verhindern, dass Block II wie geplant Ende 2022 vom Netz gehen soll. Sie forderten laut der Ludwigsburger Kreiszeitung ein „Moratorium gegen die Verschrottung“, um die Chance für eine Wiederaufnahme des Betriebs zu erhalten. Das Ziel der Akteure, die derzeit quer durch die Republik mit Pro-Kernkraft-Demos unterwegs seien und im September eine Großdemo in Brüssel planen, sei es, die Nutzung von Kernkkraft zur Stromerzeugung wieder auf die Agenda zu bringen. Schlussendlich, so das Blatt, gehe es ihnen um den „Ausstieg aus dem Ausstieg“, also um den Wiedereinstieg in die Kernenergie-Nutzung:
Auch beim Rückbau des KKW Biblis fällt so gering strahlender Bauschutt an, dass er als normaler Abfall entsorgt werden kann. Ein Teil davon, sogenanntes freigemessenes Abrissmaterial, soll auf der Mülldeponie des Kreises Groß-Gerau in Büttelborn abgelagert und recycelt werden, so die FAZ. Doch Bürgerinitiativen und Umweltverbände protestierten nun dagegen, auch der Deponiebetreiber wolle den freigemessenen Abfall nicht im Lager Büttelborn haben. Nach einem Treffen von Bürgern mit Vertretern der Politik, der Umweltverbände und Fachleuten fiel laut FAZ nun eine Entscheidung: Der Abrissmüll solle dort bleiben, wo er anfällt, nämlich auf dem derzeitigen Kraftwerksgelände in Biblis, eingehaust in einem der Kühltürme:
• FAZ (Bezahlinhalt)
Nachhaltige Finanzanlagen werden bei Anlegern immer beliebter, so der Sender n-tv. Die EU-Kommission streite darüber, ob auch Kernenergie als nachhaltig gelten soll. Die deutsche Fondsbranche sei zu diesem Thema ebenfalls uneins. Die Nutzung von Kernkraft zur Stromerzeugung ist unter Nachhaltigkeitsaspekten umstritten. Die einen verweisen auf den geringen Ausstoß von Kohlendioxid bei der Spaltung von Uran, die anderen auf die damit einhergehenden Risiken bei Unfällen sowie die ungelöste Frage nach der Endlagerung von Atommüll. Die EU-Kommission hat in ihrer Taxonomie für nachhaltige Geldanlagen die Entscheidung über die Frage, ob Atomkraft als nachhaltig definiert werden soll, bisher ausgeklammert und plane, dazu im Herbst die entsprechenden Detailregeln in Form eines delegierten Rechtsakts vorzulegen. Auch hierzulande gäbe es laut n-tv ein „Atom-Spaltung“ innerhalb der Fondsbranche. Dies zeige ein offener Brief des Forums nachhaltige Geldanlage (FNG), in dem sich über 200 Mitglieder nach eigenen Angaben „für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft einsetzen“. Zu den FNG-Mitgliedern zählen den Angaben zufolge Banken, Kapitalgesellschaften, Ratingagenturen, Finanzberatungen, wissenschaftliche Einrichtungen und Privatpersonen. Kürzlich habe das FNG einen Brief an die EU-Kommission verschickt, in dem es sich gegen „eine Kategorisierung von Kernkraft als nachhaltige Wirtschaftsaktivität“ in der EU-Regulierung wende. Der Brief habe knapp 50 Unterzeichner, darunter die deutschen Branchengrößen Deka Investments und Union Investment, nicht jedoch die ebenfalls bedeutenden DWS (eine Tochter der Deutsche Bank) und Allianz Global Investors:
• N-TV
Die FAZ berichtet zum selben Thema von einer Umfrage, die „Finanzwende Recherche“, die sich als gemeinnützige GmbH der gleichnamigen Bürgerbewegung um Verbraucherschutz, Bildung und Forschung kümmere, unter 1009 Bundesbürgern in Auftrag gegeben habe. 82 Prozent waren demnach der Meinung, dass eine Geldanlage, bei der Geld auch in Kernkraft angelegt wird, nicht als nachhaltig eingestuft werden könne. Gegenteiliger Ansicht waren 15 Prozent: Sie betrachten solche Geldanlagen als nachhaltig. Die restlichen drei Prozent hatten dazu keine Meinung:
• FAZ
Eine Spezialeinheit übt aktuell an der nuklearen Anlage Cattenom unmittelbar hinter der deutsch-französischen Grenze unter anderem, wie Wasser- und Stromleitungen unter Extrembedingungen so schnell wie möglich wiederhergestellt werden. Zum dritten Mal probe diese schnelle nukleare Eingreiftruppe (Farn) den Ernstfall im grenznahen Kernkraftwerk. Diese Spezialeinheit wurde in Frankreich als Reaktion auf den Unfall in Fukushima gegründet. Sie soll in der Lage sein, innerhalb von maximal 24 Stunden die Versorgung mit Wasser, Luft und Strom wiederherzustellen – egal, unter welchen Bedingungen. Dafür verfüge sie über spezielle Ausrüstung wie Boote oder einen Puma-Helikopter, um Material wie zum Beispiel Stromaggregate über mehrere Kilometer hinweg zu transportieren. Die Saarbrücker Zeitung berichtet:
Wegen massiver Waldbrände in Russland haben die Behörden nach einem Bericht der NZZ auch in der Stadt Sarow mit dem nationalen atomaren Forschungszentrum den Ausnahmezustand verhängt. Der Schritt sei notwendig geworden, weil sich das Feuer im Gebiet von Nischni Nowgorod ausbreite und so zusätzliche Kräfte zur Löschung der Brände mobilisiert werden können, teilte die Verwaltung der abgeschirmten Stadt mit. In Sarow liegt Russlands Kernforschungszentrum. Auch in vielen anderen Regionen seien Ortschaften durch die Feuer bedroht:
In Kasachstan fanden bis 1989 mehr als 450 Atombombenexplosionen statt. Nach der Schließung des Testgeländes Semipalatinsk vor 30 Jahren setzt sich das Land heute für eine atomwaffenfreie Welt ein und exportiert gleichzeitig große Mengen Uran. Das Land, so der Deutschlandfunk Kultur in einem ausführlichen Feature, verfügte Anfang der 90er über das viertgrößte Nuklearwaffen-Arsenal der Welt. Die Regierung ließ hunderte Kilo hoch angereichertes Uran in die USA fliegen, mehr als 1000 nukleare Sprengköpfe wurden nach Russland gebracht und 1996 erklärte sich Kasachstan für atomwaffenfrei. Bis das Gelände von allen Überresten der Atomtests gesäubert war, dauere es aber bis 2012. Heute werde vor allem die friedliche Nutzung der Kernkraft in den Vordergrund gestellt. Auch hier gäbe es eine lange Geschichte: Kasachstan versorge alle Kernkraftwerke der Sowjetunion mit Brennstoff und sorge somit für billigen Strom in vielen Ländern. In Kasachstan befinde sich auch die sog. LEU Bank, das weltweit erste Vorratslager für schwach angereichertes Uran. LEU stehe für Low Enriched Uranium. Bis zu 90 Tonnen schwach angereichertes Uran würden hier ständig auf Abruf gelagert, genug Brennstoff, um eine mittelgroße Stadt drei Jahre lang mit Strom und Wärme versorgen zu können. Idee dieses Projektes sei es, den für Leichtwasserreaktoren notwendigen angereicherten Brennstoff ständig zu bevorraten, sodass für Mitgliedsstaaten der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA keine Lieferengpässe entstehen:
Die Firma, die das japanische Kernkraftwerk Fukushima Daiichi betreibt, wolle laut eines Berichts der ZEIT mehr als eine Million Tonnen aufbereitetes Wasser im Meer entsorgen. Hierfür solle eine ein Kilometer lange Leitung unter dem Meeresgrund gebaut werden, wie das Unternehmen Tepco demnach mitteilte. Den Angaben zufolge solle bis Mitte März 2022 mit dem Bau begonnen werden. Zuvor sollen noch Machbarkeitsstudien und die Genehmigung der Regierung abgewartet werden:
• ZEIT