Presseschau vom 22.07.2020

Herzlich Willkommen zu einer neuen Ausgabe der Presseschau. In dieser Woche beschäftigen sich nahezu alle Beiträge mit KKWs in Deutschland und deren aktuellen Rückbausituationen. Als Quelle besonders präsent ist der Bayerische Rundfunk: Dessen Beitrag zur Zukunft der Kernenergie in Frankreich ist besonders lesenswert, da er auch Implikationen für Deutschland beleuchtet. Die Auswahl wird abgerundet durch eine bemerkenswerte Nachricht aus Philippsburg: Dort erweisen sich Bruchstücke der gesprengten Kühltürme als Renner bei Souvenirjägern.

 

Im Kernkraftwerk Brunsbüttel ist einer von zwei redundanten Zwischenkühlern in einem Betriebskühlkreis nach einem Hinweis auf eine innere Leckage inspiziert worden. Von den 1148 Kühlerrohren des Wärmetauschers war eines defekt. Die innere Leckage im Kühler hatte keine Auswirkung auf die Funktion des Wärmetauschers. Für den Zeitraum der Inspektion und Sanierung wird ein zweiter, paralleler Kühler für die Kühlung genutzt. Der betroffene Betriebskühlkreis kühlt das Kaltwasserssystem für das Schaltanlagengebäude. Die Anzahl der noch betriebenen Kühlstellen ist während des derzeitigen Abbaus des Kraftwerks stark verringert. Vorsorglich werden weitergehende Untersuchungen vorbereitet. Das geschädigte Rohr und ggf. weitere Rohre mit signifikanter Wanddickenschwächung werden verschlossen. Bei dem zweiten Wärmetauscher war 2018 eine vergleichbare Leckage festgestellt und nach Untersuchungen 11 Kühlerrohre verschlossen worden. Der Vorgang wurde der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde fristgerecht als Meldepflichtiges Ereignis der Kategorie „N“ (Normalmeldung) angezeigt. Das Ereignis liegt unterhalb der sieben Stufen der internationalen Skala zur Bewertung von Vorkommnissen in Kraftwerken (Pressemitteilung):

PRESSEBOX

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall, in Deutschland u.a. Betreiber der Kernkraftwerke Brunsbüttel und Krümmel, teilte laut eines Berichts des Handelsblatts den bevorstehenden Abschied seines Präsident und CEO Magnus Hall mit. Hall werde Vattenfall nach fast sechs Jahren an der Konzernspitze verlassen, sobald ein Nachfolger gefunden sei. Der Konzern teilte in diesem Zusammenhang ebenfalls mit, im zweiten Quartal einen Betriebsverlust verbucht zu haben, nach einem Gewinn vor Jahresfrist. Abschreibungen auf Vermögenswerte im Geschäftsbereich Wärme und Wind seien hierfür ausschlaggebend:

HANDELSBLATT

Das Kernkraftwerk Gundremmingen ist laut eines Berichts des Nachrichtenportals B4B Schwaben mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde nach erfolgreichem Brennelementwechsel und dem Abschluss aller Revisionstätigkeiten und Prüfungen wieder ans Netz gegangen. Die Leistung der Anlage werde sukzessive hochgefahren und demnächst wieder bei Volllast in Betrieb sein. Während der Revision, für die Betreiber RWE rund 12 Millionen Euro investiert haben soll, wurde das Kraftwerk einem intensiven Wartungs- und Prüfprogramm unterzogen. Im Zuge des Brennelementwechsels wurde der Reaktorkern mit 100 frischen Brennelementen beladen. Darüber hinaus fanden in diesem Jahr vor allem Prüfungen und Nachrüstungen an sicherheitstechnisch relevanten Komponenten der Kühlkreisläufe statt:

B4B WIRTSCHAFTSLEBEN SCHWABEN

Deutschlands leistungsstärkstes Kernkraftwerk Isar 2 nahe Niederaichbach bei Landshut wird zur jährlichen Revision vom elektrischen Versorgungsnetz getrennt und heruntergefahren. In Corona-Zeiten, so BR24, sei dies eine besondere Herausforderung. Die Sicherheitsvorkehrungen seien noch strenger als sonst. Es kämen rund 800 externe Fachleute von Spezialfirmen zusätzlich in das Kraftwerk. An einer Gesundheitsschleuse am Eingang werde Fieber gemessen, das sei Teil des umfangreichen Pandemie-Konzept. Damit auch die Abstandsregeln in den Kantinen eingehalten werden können, wurden zusätzlichen Zelte auf dem Kraftwerksgelände aufgebaut. Isar 2 sei bezüglich der erzeugten Strommenge einer der erfolgreichsten Atommeiler der Welt und liefere rund zwölf Prozent des in ganz Bayern benötigten Stroms:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Das stillgelegte Kernkraftwerk Isar 1 ist derweil frei von Brennelementen. Das gab der Betreiber Preussen Elektra bei einer Pressekonferenz bekannt, von der der BR berichtet. Der Atommeiler wurde 2011 abgeschaltet, seit 2017 wird der Reaktor zurückgebaut. Dieser Meilenstein ermögliche es, jetzt weitere Rückbauschritte einzuleiten. Bis Ende des Jahrzehnts soll das Kernkraftwerk Isar 1 komplett zurückgebaut sein:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Das Hessische Umweltministerium hat dem Betreiber des KKW Biblis, der RWE Nuclear GmbH die zweite Genehmigung zum Abbau von Anlagenteilen des Kernkraftwerkes Biblis, Block B erteilt. Genehmigt wurde der Abbau aller Anlagenteile, die noch nicht von der ersten Genehmigung umfasst waren. Dazu gehören insbesondere der Reaktordruckbehälter und das biologische Schild. Die entsprechende Genehmigung für Block A war bereits am 28. April 2020 erteilt worden. Beide Blöcke sind bereits seit letztem Jahr frei von Kernbrennstoffen. Mit diesen beiden Genehmigungen werde der Abbau der beiden Blöcke zügig aber unter strengen Sicherheitsbestimmungen fortgesetzt, so das Nachrichtenportal Frankfurt Live:

FRANKFURT-LIVE

Ein Bündnis gegen Kernkraft hat zu Protesten gegen das KKW Grafenrheinfeld aufgerufen. Dabei geht es um Recyclingreste des Kernkraftwerks auf der Kreismülldeponie. Die Kritik: Das Problem der Niedrigstrahlung werde ignoriert. Das „Schweinfurter Aktionsbündnis gegen Atomkraft“ sei laut Bayerischem Rundfunk besorgt über die Praxis von Freimessung und die Freigabe von Material aus dem KKW-Rückbau. Das zu deponierende Material müsse nicht frei von Radioaktivität sein. Dieses müsse, gängiger Praxis und Rechtslage entsprechend, nur unter einem festgelegten Grenzwert liegen. Das Problem der Gesundheitsgefährdung durch Niedrigstrahlung werde dabei nach Meinung der Aktivisten generell ausgeklammert. Außerdem sei keine gutachterliche Klärung der Frage bekannt, ob die Deponie „Rothmühle“ des Landkreises Schweinfurt ausreichenden Schutz und Abschirmung vor zu erwartenden Strahlung bieten könne, so ein Sprecher des Bündnisses:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Zu den Hintergründen der Entsorgungspläne für das KKW Grafenrheinfeld berichtet ebenfalls der BR auf seinem Portal BR24. Mehr als 270.000 Tonnen Schutt sollen recycelt werden. Das Landesamt für Umwelt würde die Abfuhr kontrollieren. Über 90 Prozent der über 300.000 Tonnen Schutt aus dem KKW sollen recycelt werden. Bislang sei etwa ein Vierzigstel aller Komponenten demontiert:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Das Kernkraftwerk Tihange wurde gemäß eines Berichts des WDR vorübergehend vollkommen stillgelegt. Bei dem umstrittenen Reaktor Tihange 2 habe es technische Probleme gegeben. Das Problem beim Reaktor 2 sei im nicht nuklearen Bereich aufgetreten, sagte demnach ein Sprecher der Betreibergesellschaft Engie Electrabel. Dort sei Dampf ausgetreten, daraufhin habe man den Reaktor abgeschaltet. Eine Gefahr für Mensch und Umwelt habe nicht bestanden. Der Reaktor solle kurzfristig wieder hochgefahren werden. Reaktor Nummer 3 in Tihange ist noch bis Oktober wegen Revisionsarbeiten abgeschaltet, Block 1 noch bis mindestens Ende Dezember. Er liege schon seit Januar wegen Unterhalts- und Reparaturarbeiten still:

WDR

Der Betreiber des Kernkraftwerks im lothringischen Cattenom hat laut Saarbrücker Zeitung bei der französischen Atomaufsichtsbehörde ASN einen Antrag gestellt, um die Nachrüstung der Notstromdieselaggregate am vierten Block zu verschieben. Neben dem Kernkraftwerk an der saarländischen Grenze gelte der Antrag auf Verlängerung der Frist auch für weitere KKWs, etwa Flamanville 1 und 2 in der Normandie. Ursprünglich hatte der Betreiber EdF bis zum 30. Juni Zeit, um die Nachrüstungsarbeiten zu vollziehen. Im Schreiben vom 2. Juni an die ASN berichtet EdF aber von Verzögerungen, die mit der Corona-Pandemie zusammenhängen:

SAARBRÜCKER ZEITUNG

Der BR beschäftigt sich mit der Nutzung von Kernenergie in Frankreich und den Gründen für den auch zukünftig hohen Anteil von Strom aus KKW im Nachbarland. In Frankreich seien nach dem Aus für Fessenheim noch 56 Kernkraftwerke in Betrieb. Wind und Sonne hätten einen Anteil von unter 10 Prozent im französischen Energiemix. Deutschland decke im Vergleich rund 35 Prozent seines Energiebedarfs mit Sonne und Wind. Dieses Ungleichgewicht solle sich jetzt zwar ändern, bei der Windkraft seien in Frankreich auch gute Voraussetzungen gegeben.Doch die Genehmigung solcher Anlagen könne in Frankreich bis zu neun Jahre dauern, doppelt so lange wie in Deutschland. Es gäbe auch finanzielle Anreize für die Errichtung von Wind- und Solaranlagen, aber sie beliefen sich nur auf ein Drittel der deutschen Fördersummen. Und auch Deutschland spiele eine Rolle bei der zukünftigen französischen Energiepolitik, denn die Bundesrepublik sei auf Atomstrom aus Frankreich angewiesen:

BAYERISCHER RUNDFUNK

Im Mai wurden die Kühltürme des Kernkraftwerks in Philippsburg gesprengt. Nun wurden Bruchstücke als Souvenirs an Interessierte abgegeben. Wie der SWR berichtet, sei die Nachfrage nach den Erinnerungsstücken an die markanten Philippsburger Kühltürme besonders groß gewesen. Alle 600 Plätze für die Entgegennahme der Bruchstücke seien binnen weniger Tage vergeben gewesen. In einem extra eingerichteten „Drive-In“ konnten die Betonteile beim Durchfahren, zu Fuß oder per Fahrrad kostenlos abgeholt werden:

SWR

In einem Gastbeitrag in der ZEIT plädieren die Autoren, beide Wissenschaftler unterschiedlicher Fachrichtungen, die sich mit Kernenergie beschäftigen, für eine Abkehr vom Atomausstieg in Deutschland. Kernargument ist dabei die Warnung vor einem Klimanotstand, der nur durch unbedingte Erfüllung der CO2-Einsparziele zu verhindern sei. Die deutsche Klimastrategie bestehe im Energiesektor bisher aus drei Linien: rascher Atomausstieg, Ausbau der Erneuerbaren sowie langsamer Ausstieg aus den fossilen Energien. Dies sei u.a. angesichts des Mangels an wirksamer Energiespeichertechnik nicht umsetzbar, ein verzögerter Ausstieg aus der Kernenergie könne hier die notwendige Zeit verschaffen, um klimafreundliche Energieträger zur Marktreife zu bringen. Die nicht gewünschte Alternative, so die Autoren, sei die wachsende Abhängigkeit von Lieferanten aus dem Ausland, insbesondere von Gas aus Russland:

ZEIT ONLINE